IIoT weiterdenken – Konvergenz von OT, IT und Personal

Vor ungefähr 10 Jahren tauchte der Begriff Industrial Internet of Things (IIoT) vermehrt in den Medien auf. In der Folge nahm die ausgerufene vierte industrielle Revolution Fahrt auf, die bis heute anhält. Und genauso wird sie noch weiter fortschreiten.

Die Hintergründe der Revolution

Bestehende Produktionstechnologien haben im Allgemeinen einen hohen Reifegrad erreicht. Das bedeutet, dass die Mechanik und die Elektrik in Maschinen und Anlagen weit optimiert sind. Trotz hoher Investitionen werden aber nur noch marginale Verbesserungen erreicht. Die Konsequenz sind nur minimale Wettbewerbsvorteile.

Letztendlich ist eine Erneuerung der Industrie innerhalb der Operational Technology (OT) alleine nicht mehr möglich, um im globalen Wettbewerb zu bestehen.  

Mit dem technologischen Fortschritt in der Informationstechnologie (IT) kommt eine neue Dimension hinzu. Erstens: Sie wird die Industrie in ihren Grundsätzen verändern und signifikante Verbesserungen erzielen. Zweitens: Die IT-Abteilung nimmt plötzlich eine zentrale Rolle beim Ziel der Produktivitätssteigerung (OEE) ein.

Das Ergebnis: Nicht die Maschine alleine, sondern das Zusammenspiel der Maschinen in einer Fertigung steigert die Produktivität. Einerseits liegt die Grundlage dazu in der Datengenerierung (Sensorik). Andererseits in der Kommunikation, beziehungsweise in deren Standards. Daraus hat sich bisher allerdings kein globaler Standard durchgesetzt. Zu guter Letzt liegt ein weiterer Schlüssel in der Interpretation der generierten Daten.

Von Leuchttürmen und U-Booten

Bevor sie große Teams etablierten, starteten Unternehmen mit U-Boot- und Leuchtturmprojekten Initiativen. Mit dem Ziel, neue Wettbewerbsvorteile zu generieren, wollten sie dadurch schnell IT und OT konvergieren. Technologie alleine bringt aber noch keinen Vorteil. Als erstes braucht es die Aufgabenstellung (Problem), den passenden Use Case dazu. Danach kommt die Lösung. Als Katalysator dienen Initiativen wie die Allianz Industrie 4.0. Sie zeichnen Digitalisierungslösungen in der Anwendung aus. Dadurch ermutigen sie weitere Unternehmen, Schritte ins IIoT zu wagen.

Wiederbeschaffungsprozesse automatisiert und in der Cloud

Der Logistikprozess eignet sich sehr gut für Leuchttürme und U-Boote. Für Lagerverwaltung und Materialfluss im Pull-Prinzip (Nachbestellung bei Unterschreiten eines Mindestbestandes) braucht es nicht immer eine große Systemlösung: Eine Verbesserung lässt sich schon mit wenigen Mitteln realisieren.

Die Überwachung erfolgt mit Sensorik, welche Bestände kontinuierlich erfasst. In einem Gateway laufen alle Daten zusammen. Sie sind in der Cloud gespeichert und somit ortsunabhängig abrufbar. Bestellungen lassen sich zusätzlich automatisiert auslösen. So stellen Unternehmen sicher, immer ausreichend Material am Lager zu haben (Smart Reordering). Eine ausführliche Beschreibung gibt es auf der Produkt-Website.

Verwaltung von Kühlschmierstoffen

Metallverarbeitende Unternehmen besitzen verschiedenen CNC-Bearbeitungszentren oder Drehmaschinen. Bei der Zerspanung werden Kühlschmierstoffe eingesetzt, um die Reibung zu verringern. So werden Werkzeug und Werkstück geschützt (Verschleiß, Erhitzen). Für diese Verwaltung gibt es eine bereits eingesetzte Systemlösung. Das verbrauchte Kühlschmiermittel wird abgeführt, zentral in einen Tank gefüllt und Neues nachgeführt.

Sämtliche Tanks werden mit Sensoren zur Füllstandserfassung überwacht. Danach werden diese Füllstände auf einem Dashboard visualisiert. Beim Erreichen oder Unterschreiten definierter kritischer Werte wird der Logistikpartner über ein automatisches Messenger-System informiert. So ist stets ausreichend Kühlschmiermittel verfügbar. Außerdem wird sichergestellt, dass das verbrauchte dem Recycling zugeführt wird.

Anlagen und Prozesse überwachen

Produzierende Unternehmen bauen vermehrt auf die kontinuierliche Überwachung von Maschinen und Anlagen, um Fehler frühzeitig zu erkennen und Ausfälle zu vermeiden. Aus der reaktiven Instandhaltung wird eine proaktive Reaktion auf Frühindikatoren. Dazu braucht es nicht viel. Der Eintritt mit einer unabhängigen Lösung ist denkbar einfach. Ein kleiner PC mit integrierter Software und die passende Sensorik (Temperatur, Vibration, Feuchtigkeit…) reichen aus, um Maschinenzustände schnell und einfach zu überwachen. Nicht einmal eine Anbindung an die Steuerung der Maschine ist notwendig, da sich kritische Ereignisse und Verläufe zentral an Dashboards darstellen lassen. Ungewollte Stillstände und Schäden werden minimiert.

Revolution oder doch „nur“ eine Evolution?

Neben der Materialwirtschaft setzt sich die vierte Industrielle Revolution an vielen weiteren Stellen mehr und mehr durch. Das theoretisch Machbare überschreitet bei weitem das praktisch Mögliche. Um die Effizienz zu steigern wird der IIoT-Gedanke weiterentwickelt. IIoT dient dabei nicht nur dem Selbstzweck: Finanzmitteln und Ressourcen sind begrenzt – daher müssen die richtigen Themen ausgewählt werden.

Auf der Suche nach „der einen“ großen Lösung wird die Revolution scheitern. Firmen sollten einen ersten kleinen und schnellen Schritt wagen, anstatt zu warten. Die Revolution wird in vielen kleinen Schritten innerhalb und außerhalb der Fertigung eine Veränderung herbeiführen. Und so entsteht die Fertigung der Zukunft modular aus der kontinuierlichen Verbesserung ihrer einzelnen Bausteine.

Wie sieht die Fabrik der Zukunft aus?

Die Begriffe der wandlungsfähigen und selbst organisierten Fertigung reichen nicht aus, die Fabrik der Zukunft genau zu beschreiben. Themenfelder müssen klar benannt werden, um von dort aus in Projekte zu starten:

Bereiche der Fabrik der zukunft

1. Smarte Kommunikation

Dreh- und Angelpunkt der Fabrik der Zukunft ist die smarte Kommunikation (zum Beispiel IO-Link). Sie übermittelt Daten von Maschinen und ganzen Fertigungsstraßen. Daten stehen zentral zur weiteren Verarbeitung zur Verfügung. So lassen sich gewonnene Informationen zum einen auf allen Ebenen der Produktion verwenden oder über die Cloud zusätzlich werksübergreifend nutzen. Zum anderen wird das Thema Security zunehmend bedeutsamer. Unternehmen müssen sich vor Cyber Angriffen schützen, denn genau diese Schnittstellen in das Internet sind potentielle Eintrittspunkte.

2. Rückverfolgbarkeit

Für eine effiziente Produktion wird das Thema Rückverfolgbarkeit (Traceability) immer wichtiger. Mit Traceability wird jeder Schritt der Prozesskette festgehalten und nachvollziehbar gemacht. Dazu braucht es RFID-Technologie, welche die Produktionshistorie aller Fertigungsteile und dort eingesetzter Materialien und Betriebsmittel – mit Zeit, Ort, Ablauf – automatisch dokumentiert.

3. Qualitätssicherung

Die moderne, flexible Fertigung kommt ohne industrielle Bildverarbeitung nicht aus. Sie sichert die Produktqualität und ermöglicht effiziente Prozesse in der Fertigung – bis hin zur Losgröße 1. Die Qualitätssicherung wird inline in den Prozess integriert und hilft, Fehler früh zu identifizieren und zu beheben. Dadurch steigt der Anteil der Gutteile.

4. Asset Management

Neben der Rückverfolgung der Produkte durch den gesamten Fertigungsprozess braucht es auch eine Verwaltung der eingesetzten Maschinen und Produktionsmittel. Mit einem effizienten Asset Management maximieren sich die Maschinenverfügbarkeit und der Instandhaltungsaufwand wird reduziert.  

5. Condition Monitoring wird zu Predictive Maintenance

Die kontinuierliche Zustandsüberwachung von Maschinen, Anlagen und Prozessen erkennt Abweichungen frühzeitig. Notwendige Wartungsarbeiten werden weit vor dem Schadensfall vorhergesagt.

6. Roboter und Cobots

Der Einsatz von Robotern und kollaborierenden Robotern (=Cobots) nimmt zu. Dadurch schreitet die Arbeitsteilung zwischen Mensch und Maschine voran. Roboter übernehmen verstärkt repetitive und gefährliche Aufgaben in der Montage.  

Künstliche Intelligenz

In allen Bereichen kann IIoT eine Verbesserung erzielen. Software spielt dabei eine zunehmend wichtige Rolle. Das Erzeugen und Verarbeiten immer größerer Datenmengen ebnet der Künstlichen Intelligenz KI ihren Weg. Im Kontext der industriellen Automation sind dabei eher die Begriffe maschinelles Lernen und Deep Learning geläufig. Dadurch sind weitere Verbesserungen möglich: In Zukunft werden ganze Fabriken als Digitale Zwillinge Abbild der physischen Fertigung sein. Mit Simulationsfunktionen bieten sich effiziente Möglichkeiten, Anpassungen vorzunehmen.

IIoT weiterdenken – der Faktor Mensch

Digitalisierung, Industrie 4.0 und IIoT sollen häufig eine technologische Verbesserung und Produktivitätssteigerung liefern (OEE=100%). Zusätzlich zu Betriebstechnologie (OT) und IT gibt es aber einen weiteren Faktor – den Faktor Mensch. Dessen Rolle muss im Zusammenspiel aus OT und IT konsequent beleuchtet werden, sonst ist kein holistischer Ansatz zu erreichen.

Denn auch hier sind Verbesserungen (und damit Produktivitätssteigerung) möglich. Mitarbeiter*innen und Maschinen werden sich die Aufgaben in der Fertigung teilen. Software und Algorithmen übernehmen zukünftig teilweise Konfiguration und Rekonfiguration von Anlagen. Und genauso wird die Fertigungssteuerung betroffen sein.

Somit ergibt sich ein großes neues Handlungsfeld im HR-Bereich. Klar ist: Mitarbeiter*innen brauchen neue Kompetenzen, vor allem im IT-Bereich, ganze Berufsbilder werden neu entstehen. Letztendlich greift die Digitalisierung also auch in die Organisation der Unternehmen ein. Denn sie bringt komplett neue Arbeitsmodelle hervor (Internationale Organisation, Remote Work, Remote Service…).

Nachhaltigkeit und IIoT

Doch lassen sich auch die Ziele der Nachhaltigkeit und sozialen Verantwortung mit IIoT besser erreichen? Einerseits gilt: Eine im Prozess integrierte Qualitätssicherung führt zu weniger Ausschuss (0 Scrap). Somit sinkt der Einsatz von (Roh)material. Andererseits werden mit einer kontinuierlichen Zustandsüberwachung Fehler frühzeitig erkannt. So werden Umweltschäden verhindert (Bsp. Öl-Leckage).

Und eine durchgehende Rückverfolgbarkeit über die Unternehmen der Lieferkette hinweg erlaubt das Durchsetzen ethischer und ökologischer Standards. Das Ergebnis: IIoT dient auch der Kreislaufwirtschaft (Circular Economy).

Mit IIoT langfristig zum Erfolg

Die alleinige Umsetzung des technologisch Möglichen schöpft nicht das volle Potenzial der IIoT-Revolution aus. Deshalb braucht die Konvergenz von OT und IT die dritte Dimension: die erfolgreiche Integration der Mitarbeiter*innen eines Unternehmens.

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